Warum die „Radoffensive“ der Staatsregierung verpufft – ein Erfahrungsbericht aus der Praxis auf dem Land

Portraitbild Sebastian Hansen

Der Bericht ist für uns von Sebastian Hansen erstellt worden. Er ist Zweiter Bürgermeister in Waldbüttelbrunn und teilt mit uns seine Erfahrungen zur „Radoffensive Bayern“.

„Hat inzwischen auch die Staatsregierung verstanden, dass klimafreundliche Mobilität gestärkt werden muss? Anfang Februar jedenfalls kündigte sie mit großem Getöse die „Radoffensive Bayern“ an. Dazu stellte sie 10 Millionen Euro als Fördermittel für noch Radwege-Projekte der Kommunen zur Verfügung (zum Vergleich: so viel gibt der Landkreis Würzburg 2022 in etwa für Straßenbau aus). Eingereicht werden konnten Projekte, die Radwege im Wald, an Bahnlinien, zwischen Kommunen oder innovative Radwege betreffen. Einziger Haken: bis 28. Februar muss die Bewerbung eingereicht werden. 

Wer Kommunalpolitik macht weiß, dass eine Frist von drei Wochen für einen solchen Antrag fast ein Ding der Unmöglichkeit darstellt, wenn man nicht zufällig gerade ein fertiges Projekt hat. Denn zu beachten sind auch die Fristen für eine Gemeinderatssitzung, in der der geforderte Beschluss herbeigeführt werden kann. 

In Waldbüttelbrunn, wo ich 2. Bürgermeister bin, haben wir derzeit zwei Projekte, die ins Programm passen könnten. Eines soll die Schlammpiste, die derzeit den Pendel-Radweg nach Würzburg darstellt, ersetzen, das andere unser Gewerbegebiet besser mit dem Rad an die Nachbargemeinde Hettstadt anbinden. Letzteres ist schon fertig geplant, wir hatten also Glück und konnten es auf meine Initiative hin – nach genauestem Studium der komplizierten Förderkriterien – einreichen und hoffen nun, dass wir genommen werden. 

An ersterem dagegen zeigt sich, warum der interkommunale Radwegebau oft der Jagd nach Passierschein A38 gleicht. Der Weg liegt derzeit im Wald zwischen Waldbüttelbrunn und Höchberg, aber auf der Gemarkung des Marktes Zell am Main, außerdem im Staatsforst und zum Teil entlang einer Staats- bzw. einer Bundesstraße. Die Zahl der Beteiligten ist also hoch, doch die beiden Kommunen, denen der Radweg nutzt, können rechtlich gar nichts machen, weil die Strecke gar nicht auf ihrer Gemarkung liegt. Die Zuständigkeiten sind unklar: normalerweise müsste der Markt Zell am Main bauen, aber die haben nichts davon und außerdem läge die perfekte Wegführung neben der Bundesstraße, also müsste dann der Bund bauen und bezahlen, aber dafür müssten dann die Staatsforsten Fläche abtreten. Kurz: keiner möchte wirklich zuständig sein. Genau wegen solcher Konstellationen befindet sich die Radinfrastruktur auf dem Land meist in einem desolaten Zustand. 

Da hilft dann auch keine „Radoffensive“, bei der man als normale Gemeinde aufgrund viel zu kurzer Fristen nicht an Fördermittel kommt und die letztlich wahrscheinlich ein paar vorab informierten Spezln der Staatsregierung zugute kommt. Stattdessen braucht es den klaren Willen, die Radinfrastruktur auf ein angemessenes Niveau zu heben und dafür mittelfristig sowie verlässlich eine größere Menge Geld zur Verfügung zu stellen. Dann wäre den gerade derzeit öfters mal finanziell klammen Kommunen auf dem Land beim interkommunalen Radwegeausbau wirklich geholfen. Diesen Willen sucht man bei der Staatsregierung aber vergebens. Zeit, das 2023 zu ändern, damit auch der Radverkehr auf dem Land endlich seinen Teil zum Klimaschutz beitragen kann.“