Verpflichtendes Gesellschaftsjahr – sinnvolle Idee oder eine Belastung für die Jugend?

„Schade, dass diese Diskussion nicht aufgenommen wurde und als Podcast auch noch mehr Interessierten zur Verfügung gestellt werden kann“, sagte eine Besucherin der Diskussionsveranstaltung über ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr. Das war in der Tat eine kontroverse und spannende Debatte, bei der im Laufe des Abends auch das bunt gemischte Publikum mitdiskutierte. Im Rahmen der „Niklas trifft“- Reihe hatte sich Niklas Wagener spannende Gäste eingeladen.

Zum einen Dr. Nina Eisenburger, als Vertreterin der Deutschen Sportjugend (Frankfurt), die eine Zentralstelle für ihre Mitgliedsorganisationen ist, welche seit über 20 Jahren Freiwilligendienste anbieten. Aus Hammelburg kam Brigadegeneral Michael Matz, Kommandeur der Infanterieschule in Hammelburg, der aufgrund seiner Funktion viel Kontakt zu jungen Soldatinnen und Soldaten hat.  Und schließlich Emilia Handt, aktiv in der Grünen Jugend Aschaffenburg-Miltenberg, die gerade mit ihrem Bundesfreiwilligendienst begonnen hatte.

Niklas Wagener warb zur Einführung für das verpflichtende Gesellschaftsjahr, er erhofft sich damit „wieder mehr Verständnis füreinander und einen Konsens über die gesellschaftlichen Herausforderungen“ zu schaffen. Zudem wäre eine Pflicht auch ein Mittel gegen soziale Ungleichheit, weil auch Menschen, die eigentlich darauf angewiesen wären, sofort zu arbeiten, sich erst einmal beruflich orientieren und fortbilden könnten.

Emilia Handt bestätigte den letzten Punkt, aktuell müsse man sich ein freiwilliges soziales oder anders gelagertes Jahr leisten können. Das Taschengeld reiche z. B. nicht aus, sich davon eine eigene Wohnung zu mieten. Sie selbst habe diesen Weg nun eingeschlagen, um sich in dieser Zeit mehr darüber klar zu werden, wie es beruflich weitergehen könnte.

Frau Dr. Nina Eisenburger trug erst einmal wichtige Fakten zur Diskussion bei, unter anderem, dass bereits jetzt rund 100.000 junge Menschen einen Freiwilligendienst leisten. Die Vertreterin der Deutschen Sportjugend stand einer Pflicht sehr skeptisch gegenüber, „weil eine Pflicht immer ein massiver Einschnitt in die elementaren Freiheits- und Grundrechte junger Menschen ist. Die Einführung einer Dienstpflicht bedürfe außerdem einer Änderung des Grundgesetzes“.

Brigadegeneral Matz lieferte ebenfalls ein paar Fakten zur ausgesetzten Wehrpflicht, wie auch zur derzeitigen Entlohnung derjenigen, die sich freiwillig für die Bundeswehr verpflichten. Allein die Entlohnung -rund das Vierfache, was derzeit junge Menschen bekommen, die ein freiwilliges soziale Jahr oder Ähnliches absolvieren – unterscheidet sich gravierend. Michael Matz informierte auch darüber, dass man – sollte so eine Verpflichtung kommen und eben auch den Dienst bei der Bundeswehr beinhalten – natürlich erst einmal ganz andere strukturelle Voraussetzungen für Unterbringung und sinnvolle Beschäftigung bei der Bundeswehr geschaffen werden müsste. Dem Grundgedanken einer Verpflichtung, die eben für alle jungen Menschen gleich gelte, stand er positiv gegenüber, wie auch der Idee von Niklas Wagener, dass man auch als älterer Mensch, kurz vor der Pensionierung oder auch danach, sich freiwillig und sozial engagiere. „Weil bei mir der Ruhestand ohnehin ansteht, habe ich das auch schon überlegt“, so der General.

Emila Handt bekannte, dass sich ihre Position im Zuge der Vorbereitung zu dieser Veranstaltung verändert habe. „Eigentlich stand ich dem skeptisch gegenüber, aber wenn es auskömmlich finanziert wird und die Rahmenbedingungen stimmen, wäre es fair und sinnvoll, wenn alle jungen Menschen Erfahrungen machen können und müssen“, so die Grüne Jugend-Vertreterin. Und weiter fuhr sie fort: „So gesehen ist die Pflicht eine Chance. Schließlich gibt es auch die Schulpflicht“.

Frau Dr. Eisenburger schätzte, dass eine Dienstpflicht für den Staat etwa 17 Milliarden jährlich bedeuten würde. Sie warb deshalb stattdessen für ein „Recht auf einen Freiwilligendienst“: Jede*r, der*die möchte, sollte die Möglichkeit auf einen Dienst mit einem staatlich finanzierten Freiwilligengeld auf BAFöG-Niveau bekommen. Damit ließe sich das Interesse dafür in jedem Jahrgang schätzungsweise verdoppeln.

Auch das Publikum mischte sich mit vielen sachkundigen, wie konkreten Anregungen ein. So stellte ein Herr die Frage, wie man bei einer Einführung so eines Pflichtjahres mit dem dann fehlenden Jahrgang an Studierenden umgehe? Es gab so eine Menge an interessanten Argumenten, dass man gut und gerne noch den ganzen Abend hätte diskutieren können.

Nikas Wagener zeigt sich sehr zufrieden mit dieser Diskussion, die ihm auch selbst noch einmal „viel zu denken mitgegeben hat“. Womöglich sei die Idee von Frau Dr Eisenburger, das Recht auf einen Freiwilligendienst erst einmal einzuführen, ein erster wichtiger Schritt. „Ich möchte einfach etwas unternehmen, weil wir zu wenig Menschen haben, die sich in Ehrenämtern bei Vereinen, Verbänden, sozialen Einrichtungen und auch bei der Bundeswehr, engagieren“, so der Aschaffenburger Bundestagsabgeordnete.

Auf jeden Fall solle dies nur der Auftakt zu einer Diskussion sein und der Abend habe doch gezeigt, dass man „auch sehr kontroverse Debatte fair und erkenntnisreich miteinander führen kann“, so Niklas Wagener. „Alle Stimmen, die sich Gedanken um ein Mehr an Gemeinschaft in unserer Gesellschaft machen und sich die Frage stellen, mit welchen Maßnahmen, Rechten und Pflichten wir dort am besten hingelangen, sollten gehört werden“! Der große Applaus am Ende des Abends signalisierte große Zustimmung.