MdL Paul Knoblach: „Bayern hat ein Tierschutzproblem“

In zwei unterfränkischen Schlachthöfen in Aschaffenburg und in Hobbach, Landkreis Miltenberg, dokumentierte die Tierschutzorganisation SOKO Tierschutz in diesem Sommer haarsträubende Tierquälereien. Die Landtags-Grünen haben dazu einen Fragenkatalog an die Staatsregierung gestellt, darin geht es u.a. um Zuständigkeiten, Kontrollen, weitere nachgewiesene Verstöße gegen Tierschutz- und Hygieneauflagen, Konsequenzen aus den Fällen und die Personallage in den Veterinärämtern. Die zentralen Erkenntnisse aus den Antworten auf die grünen Anfragen (siehe unten) lauten:

  • Die Tierschutzverstöße in den betroffenen Schlachthöfen sind keine Einzelfälle. Schon früher, teils kurz vor den von der SOKO Tierschutz gemachten Aufnahmen, wurden schwere tierschutzrechtliche Verstößen dokumentiert.
  • Die von ihren Aufgaben entbundene amtliche Tierärztin aus dem Landkreis Miltenberg war auch in zwei anderen Schlachthöfen tätig.
  • Die Personalsituation in einigen für Kontrollen zuständigen Veterinärämtern ist sehr angespannt.
  • Die Söder-Regierung sieht bisher keine Maßnahmen vor, um tierschutzrechtliche Missstände in Bayern abzustellen. Sie muss die von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir geplante verpflichtende Videoüberwachung in Schlachthöfen unterstützen und schnellstmöglich umsetzen!

Im Detail geht aus den Antworten des Verbraucherschutzministeriums hervor:

  • In den vergangenen 5 Jahren wurden im Schlachthof Aschaffenburg 19 geringfügige Verstöße im Hygienebereich festgestellt. In Hobbach gab es im März 2019 sowie im September 2020, August 2021 und Mai 2023 verschiedene auch schwere Verstöße. (SAN 1, 2843, Frage 6a)
  • Weiter wurden 11 Tierschutzverstöße in Aschaffenburg festgestellt. In Hobbach gab es Tierschutzverstöße im Schlachtprozess, eine Zahl wird nicht genannt. (SAN 2, 2844, Frage 1b)
  • Zum Verstoß in Hobbach bei der Kontrolle vom 23. Mai 2023 heißt es konkret:
    Ein Bulle wurde mit einem Bolzenschussapparat betäubt, der für das Gewicht des Bullen nicht geeignet war. Der zuständige Mitarbeiter wurde aufgefordert mit einem Bolzen „geeigneter Austrittslänge umgehend nachzubetäuben“. Es muss also davon ausgegangen werden, dass das Tier für eine Schlachtung zuvor nicht ausreichend betäubt war.
    Ähnliche Zustände und die Schlachtung kranker Tiere dokumentierte die SOKO Tierschutz kurze Zeit später in diesem Schlachthof.
    Informationen zum Einsatz der Bolzenschussbetäubung finden Sie hier: https://www.lgl.bayern.de/tiergesundheit/tierschutz/schlachten/bolzenschussbetaeubung/index.htm
  • Die am Schlachthof Hobbach tätige amtliche Tierärztin wurde von ihren Aufgaben entbunden. Sie war zudem an zwei weiteren Schlachthöfen tätig. Sonderkontrollen wurden an diesen Betrieben nicht durchgeführt. Laut Antwort des Verbraucherschutzministeriums werde aber geprüft, ob „der Kontrollturnus gestrafft werden kann“ (SAN 2, 2844, Frage 4a und 4b). Hinweis: Es handelt sich nicht um dieselbe Zuständige wie in Aschaffenburg. Die dort tätige Veterinärin soll den Betrieb vor Kontrollen gewarnt haben.
  • Die Veterinärämter Aschaffenburg und Miltenberg meldeten mehrfach Überlastung – sie zeigten also an, dass sie dringend mehr Personal benötigen. Auf eigene Kosten hat dann eine Kommune Personal eingestellt. (SAN 2, 2844, Frage 6a)
    Darüber hinaus bleiben bei der Beantwortung der grünen Anfragen durch das Ministerium zahlreiche Fragen offen. Eine detaillierte Aufschlüsselung unterbleibt mit dem Verweis auf die Vielzahl der Verstöße und datenschutzrechtliche Gründe. Auch werden Zahlen tierschutzrechtlicher Verstöße gar nicht genannt oder Tabellen, auf die in der Antwort verwiesen wird, nicht mitgeschickt. Das Ministerium geht nicht darauf ein, ob Schlachthöfe den Kontrollinstanzen derzeit bereits aufgezeichnetes Videomaterial vorenthalten. Im Referentenentwurf des neuen Tierschutzgesetzes von Cem Özdemirs Bundeslandwirtschaftsministerium ist eine obligatorische Videoaufzeichnung geplant. Insgesamt erhielten wir die Antworten auf alle Anfragen erst 4 Wochen nach Ablauf der eigentlichen Frist und dann auch erst auf mehrfache Nachfrage.

Die Landtags-Grünen fordern:

  • Die Söder-Regierung muss die von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir geplante verpflichtende Videoüberwachung in Schlachthöfen unterstützen und schnellstmöglich umsetzen!
  • Die Zuständigkeit für Veterinärkontrollen muss weiterhin beim Verbraucherschutzministerium bleiben. Hinsichtlich immer häufiger dokumentierter Tierschutzverstöße in Bayern ist es höchst bedenklich, dass die Söder-Regierung diese Kontrollen künftig beim Landwirtschaftsministerium ansiedeln will. Neben einem möglichen Umzugschaos droht ein Interessenkonflikt zum Schaden der Tiere, wenn Kontrollbehörde und zu kontrollierende Betriebe unter einem Dach verortet werden.
  • Die Zuständigkeitsfragen für Kontrollen müssen zwischen Veterinärämtern, amtlichen Tierärzten und der Bayerischen Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) besser und lückenlos geregelt werden.
  • Das Verbraucherschutzministerium verspricht auf seiner Webseite: „Ein Qualitätsmanagementsystemsichert dabei über alle Verwaltungsstufen zuverlässige Kontrollen und einheitliche, transparente Verfahren.“ Dieses Versprechen muss auch eingelöst werden.

Paul Knoblach, Abgeordneter im Bayerischen Landtag und langjähriger Experte für Tierwohl der Landtags-Grünen, sagt:

„Bayern hat ein Tierschutzproblem. Das haben die Vorfälle an Schlachthöfen in Unterfranken gezeigt und das offenbaren auch die Antworten aus dem Ministerium. Wenn man jetzt liest, das bereits kurz vor den grausamen Aufnahmen durch Tierschützer im gleichen Betrieb ein Rind vor den Augen von Kontrollinstanzen falsch betäubt und nochmal mit dem Bolzenschussgerät beschossen wurde, gefriert einem das Blut in den Adern.“

„Langsam zeigt sich nun die ganze Dimension des Versagens verschiedener Ebenen. Da haben wir Betriebe, die über Jahre immer wieder mit Tierschutzverstößen auffallen. Kontrollinstanzen, die überfordert sind. Veterinärämter, denen es an Personal mangelt. Und eine Staatsregierung, die selbst auf schwerste Tiermisshandlungen nur mit einem Achselzucken reagiert.“

„Wir Grüne fordern, dass die Söder-Regierung endlich ihr Zögern und Zaudern beendet und sich uneingeschränkt für Videoüberwachung an Schlachthöfen einsetzt. Es kann nicht sein, dass Tierschutzverstöße immer erst publik werden, wenn private Organisationen Kameras aufhängen. Es braucht jetzt einen klaren politischen Kompass im Sinne des Tierschutzes. Das heißt: Zuständigkeitswirrwarr zwischen Kontrollinstanzen beenden, die Behörden unterstützen, wenn es Personalengpässe gibt und Kontrollmethoden nachschärfen!“

Antworten auf die grünen Anfragen im Wortlaut: