Haushaltsrede der Bezirkstagsfraktion

Die Fraktionsvorsitzende unserer grünen Bezirkstagsfraktion Unterfrankens, Bärbel Imhof, hat am Dienstag, den 20. Dezember die diesjährige Haushaltsrede im Bezirkstag gehalten:

HAUSHALTSREDE

Sehr geehrte Herren Präsidenten, Liebe Kolleginnen und Kollegen, werte Anwesende,

Im Bezirksausschuss am 1. Dezember haben wir bereits eine lebhafte Diskussion über die ungerechte Verteilung der finanziellen Mittel des Freistaates Bayern an die kommunale Familie geführt. Wir erinnern uns, dass bisher die Landkreise, Städte und Gemeinden über einen steuerlichen Verbund von den Ausreichungen profitiert haben und über ihre mächtigen Dachverbände satte Steigerungen erstreiten konnten. Die Bezirke wurden von diesem Verbund bisher ausgeschlossen und separat über die FAG 15 Mittel bedient. Diese Mittel sollen eigentlich die Sozialausgaben decken und linear mit den Ausgabensteigerungen korrelieren. Das war der Plan, doch der stimmt seit Jahrzehnten nicht mehr. Die anhaltende und sich jährlich verschärfende chronische Unterfinanzierung der Bezirke wird mit dem Hinweis des Finanzministers wegignoriert, man könne sich ja die Fehlbeträge über die Bezirksumlage von den Landkreisen und Städten holen. Auch die vom Bayerischen Bezirketag seit Jahren erhobene Forderung nach einer Gleichbehandlung der Bezirke als Bestandteil der kommunalen Familie und damit die Aufnahme in den quotalen Steuerverbund blieb bisher ungehört und wird auch ungehört bleiben, solange die kommunale Familie nicht endlich an einem Strang zieht und gemeinsam eine Finanzreform fordert.

Wir dachten eigentlich, dass dieses leidige Thema in der diesjährigen Haushaltsdebatte keine Rolle mehr spielt. Schließlich bekommen wir dieses Jahr in Unterfranken wegen unserer schlechten Umlagekraft ein besonders großes Stück aus dem FAG-Kuchen der Bezirke. Das Stück ist so groß, dass wir damit unser Defizit im SozialHH decken können, ohne die Umlagezahler zusätzlich zu belasten oder Kredite aufnehmen zu müssen.

Stabile Lage also, die für bayerische Verhältnisse relativ niedrige Bezirksumlage bleibt erstaunlicherweise stabil, alles in bester Ordnung, klappen wir die Bücher zu und feiern Weihnachten. Doch der schöne Schein trügt. Der unerwartet hohe Geldsegen aus München hat ja Gründe, die zu hinterfragen sind.

Warum haben wir denn die schlechteste Steuerkraft aller bayerischen Bezirke? Sind wir strukturell und wirtschaftlich noch auf der Höhe der Zeit? Brechen ganze Branchen ein oder gar zusammen wie im Handwerk zu beobachten ist? Ist das ein einmaliger Ausreißer oder setzt sich diese Entwicklung fort?

Unsere Fraktion bleibt skeptisch und vorsichtig, die sozialen und kulturellen Aufgaben des Bezirks sollen weiterhin erfüllt werden!

Wir sind im dritten Coronajahr, der grausame Krieg in der Ukraine mit all seinen fatalen Folgen für die Menschen hält unvermindert an und beschert uns Inflation und hohe Energiekosten. Der bevorstehende Winter erfordert alle nur erdenklichen Hilfen für die leidende Bevölkerung in der Ukraine. Die Geflüchteten brauchen Unterkunft und Versorgung sowie eine Zukunftsperspektive auch hier bei uns.

Zur Pandemie und dem Krieg gesellt sich in unserem Land daneben noch eine zunehmend älter werdende Gesellschaft, die dringend junge Leute braucht, um zumindest ihre lebensnotwendigsten Infrastrukturen , wie z.B. Krankenhäuser am Laufen zu halten. Die Baby-Boomer gehen in Rente. Personalmangel, wohin man schaut. Mit eigenen Leuten sind diese Lücken nicht mehr zu füllen. Das Land braucht eine kluge und zielorientierte Einwanderungspolitik, die die nötigen Fachkräfte aus dem Ausland willkommen heißt, die ihre Qualifikationen unbürokratisch anerkennt und die gut integrierte und ausgebildete Geflüchtete in unseren Arbeitsmarkt aufnimmt und sie nicht abschiebt. Gottseidank nicht alle, aber leider immer noch zu viele.

Wenn man den Vorbericht unseres Krankenhausreferenten liest, dann zeichnet er ein düsteres Bild von der Situation unserer Krankenhäuser und Heime. Alle planen für das nächste Jahr mit Defiziten. 10 Millionen Minus stehen unter dem Strich und das ist wahrlich kein Pappenstiel mehr. Dabei könnte die Erlössituation wesentlich besser sein, wenn genügend Personal vorhanden wäre. Paradox: Wir schaffen neue Einrichtungen, die auch dringend gebraucht werden, aber wir können sie nur z.T. betreiben, weil schlicht das Personal fehlt.

Dieser eklatante Personalmangel wird zusätzlich durch ein auf Gewinne und Profit ausgelegtes Gesundheitssystem verschärft. Über Jahre hat man am Personal gespart und gut ausgebildete Kräfte gehen lassen, die man jetzt händeringend braucht. Wir hören nahezu jeden Tag Hiobsbotschaften aus dem Gesundheitssektor. Die Kinderkliniken am Rande des Kollaps, flächendeckend ausfallende Rettungsdienste, Schließung von Pflegeheimen, das ganze System arbeitet am Limit. Wie sagte unser bundesdeutscher Gesundheitsminister kürzlich sehr treffend: „Wir haben es mit der Ökonomisierung übertrieben“ und er hat erkannt, dass die Abrechnung über Fallpauschalen nicht die beste Idee war und die Häuser mit großen Vorhalteleistungen in die roten Zahlen getrieben hat. Jetzt liegt ein Vorschlag des Gesundheitsministers auf dem Tisch, der diesem Irrsinn ein Ende bereiten könnte. Wir können nur hoffen, dass dieser Vorschlag nicht endlos zerredet wird und schnell zur Umsetzung kommt. Das sind wir unseren MitarbeiterInnen schuldig, die schon lange auf eine wirkungsvolle Reform warten.

Unsere Fraktion zieht den Hut vor all diesen MitarbeiterInnen, die unter Coronabedingungen in schwierigsten Verhältnissen mit Maske unermüdlich ihren Dienst getan haben. Ihnen gebührt unser aller Dank und größten Respekt vor dieser Leistung.

Wir alle wissen nicht, wie lange dieser Krieg noch dauern wird, wie sehr unsere Bevölkerung von hoher Inflation betroffen und unsere Wirtschaft unter den Energiekosten ächzen wird. Die Zeiten sind unsicher und Prognosen mit großen Risiken behaftet.

Der Staat hat viele Rettungsschirme aufgespannt und versucht finanzielle Hilfen zu geben. Doch alles wird er nicht auffangen können und längst werden Fragen gestellt, was wie uns noch leisten können und wollen. Hier bei uns im Bezirk hört man immer öfter die Frage: wieviel Sozialstaat können wir uns noch leisten? Der Personalmangel und die knapper werdenden Finanzmittel treffen eine liberale und soziale Politik doppelt ins Mark. Lange gehütete und mühsam erkämpfte Fachquoten geraten ins Wanken. Diversität bei den Sozialleistungen, kleinteilige dezentrale wohnortnahe Strukturen, die Umsetzung des BTHGs mit Wahlrecht und einem selbstbestimmten Leben mit umfassender Teilhabe in der Gesellschaft werden zunehmend in Frage gestellt. Wird es die Rückkehr zu großen Einheiten geben, weil sie wirtschaftlicher zu führen sind? Was sind zukünftig angemessene Leistungen? Wer legt neue Standards fest? Welche Angebote werden wir für Menschen mit Behinderung noch zur Verfügung stellen können? Welche Prioritäten setzen wir künftig in der Sozialpolitik und was sind wir bereit zu finanzieren?

Diesen Fragen werden wir uns stellen müssen und es wird schwer kluge und gerechte Antworten darauf zu finden. Eine große Herausforderung für uns alle!

In all dieser Düsternis und Unsicherheit gibt es aber auch ein paar Lichtblicke: Endlich ist nach 3,5 Jahren die fachliche Bewilligung für den Neubau der Gerontopsychiatrie In Lohr erteilt worden. Ein Meilenstein in der Versorgung der alten PatientInnen und ein Meilenstein für das Personal.

Ebenfalls ein Meilenstein war die Etablierung und bisher sehr erfolgreiche Arbeit der Krisendienste, die nicht nur den Menschen vor Ort helfen, sondern auch unsere angespannt arbeitenden psychiatrischen Einrichtungen deutlich entlasten.

Der nächste – wenn auch noch etwas schwach gemeißelte – Meilenstein ist die neue Beratungsstruktur der Sozialverwaltung vor Ort in den ebenfalls stärker gewordenen Pflegeberatungsstellen. Wir sollten mehr zu den Menschen kommen und nicht umgekehrt, das will auch der Geist das BTHG.

Wir sollten weiterhin daran arbeiten, mit den Sozialverbänden und Leistungsanbietern in gutem Kontakt zu bleiben. Mit Frau Löffler haben wir eine Führungspersönlichkeit, die sich um mehr Offenheit und Transparenz in der Kommunikation zwischen den Betroffenen, ihren Familien und den Leistungserbringern, aber auch der eigenen Verwaltung bemüht. Ihre Berichte aus der Sozialverwaltung in den Gremien haben eine neue Qualität und dafür möchten wir uns als Fraktion bei ihr bedanken.

Ein Lichtblick ist auch der sehr gelungene Leitungswechsel im Partnerschaftsreferat von der langjährig sehr erfolgreichen Frau Heller zu einer engagierten Frau Holzheimer, die gleich zu Anfang im Oktober zusammen mit ihrem Team den Besuch der französischen Freunde aus dem Calvados hervorragend gestemmt hat. Wir brauchen in diesen Zeiten mehr europäische Zusammenarbeit und weniger nationalistischen Populismus, um die rechtsradikalen Tendenzen in der EU zu bremsen. Reichsbürger und ihre rechtsradikalen Unterstützer bis in die Parlamente hinein haben in unserer Region keine Chance. Als Bezirk Unterfranken leisten wir hier sehr gute interkulturelle und auch jugendpolitische Arbeit.

Dazu passt sehr gut, dass das unterfränkische Fairtrade-Siegel erfolgreich reaudidiert werden konnte. Der Bezirk hat als einzige Fairtrade-Region mit vielen Aktionen hier sicher Maßstäbe in ganz Bayern gesetzt.

Unsere Einrichtungen arbeiten fleißig an der Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes. Viele neue PV- Anlagen werden gebaut, alte Heizungssysteme optimiert und saniert. Erst kürzlich wurde ein Energiemanagementsystem für unsere Gebäude auf den Weg gebracht. Unser innovativer und fachlich sehr gut aufgestellter Klimaschutzmanager Herr Antlitz konnte über ein Förderprogramm viele Hunderttausend € dafür einwerben. Umso bedauerlicher ist es, dass der wegweisende Beschluss des Bezirkstages im Sommer, ganz auf Ökostrom umzustellen, aufgrund neuer Vertragsbedingungen zurückgenommen wurde. Außer uns Grünen war niemand bereit, die relativ geringfügigen Mehrkosten für Ökostrom zu bezahlen. Dabei ist genau das die Investition in die Zukunft und Signal an die jungen Generationen, dass die Politik zum Handeln bereit ist. Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass sich das bald wieder ändern wird und ändern muss.

Zum Schluss bleibt uns nur der besondere Dank an unseren Kämmerer und seinem Team für das umfangreiche Zahlenwerk, ebenso an Herrn Oßwald und seinem Team für die Erstellung der Wirtschaftspläne unserer Krankenhäuser und Heime.

Unsere Fraktion stimmt dem Haushalt mit allen Anlagen zu.

Wir bedanken uns bei allen MitarbeiterInnen für ihre geleistete Arbeit in einem anstrengenden und fordernden Jahr. Bleiben sie alle gesund und der Grüne Tipp für die Feiertage oder für das Frühjahr: Besuchen Sie unser inklusives Cafe Balthasar im Schloß Werneck – hier ist ihr Weihnachtsgeld gut angelegt und es liegt direkt am Werntal-Radweg!

Wir wünschen ihnen allen Liebe Kolleginnen und Kollegen, geehrte Herren Präsidenten frohe Weihnachten und einen guten Rutsch in ein hoffentlich friedlicheres neues Jahr.

Bärbel Imhof
Gerhard Müller
Klara May
Christina Feiler

wwww.gruene-bezirkstag-unterfranken.de

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