GRÜNE Main-Spessart zur Medizinischen Versorgung im ländlichen Raum

„Welche Auswirkungen hat die Krankenhausstrukturreform auf unsere Region?“ Dazu luden die Main-Spessarter Grünen zum Informations- und Diskussionsabend unter der Überschrift „Medizinische Versorgung im ländlichen Raum“ nach Lohr ein.

Gast war MdB Johannes Wagner, Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestages und Kinderarzt in Weiterbildung. Wagner eröffnete den Abend, indem er zunächst drei Fragen ans Publikum richtete: „Hat Deutschland ein gutes Gesundheitssystem?“, „Muss mehr Geld ins Gesundheitssystem?“ und „Braucht das Gesundheitssystem mehr Personal?“. Alle Fragen wurden vom Publikum differenziert beantwortet. Warum, zeigte sich sowohl in Wagners Ausführungen als auch in der anschließenden Diskussion auf dem Podium und mit dem Publikum.

Wagner: „Im internationalen Vergleich ist das deutsche Gesundheitssystem sehr gut. Im europäischen Vergleich haben wir trotzdem nur eine mittelmäßige Lebenserwartung. Ausschließlich mit mehr Geld oder mehr Personal lassen sich die bestehenden Probleme nicht lösen.“ Durch den Fokus auf High-Tech-Medizin und falsche Anreize durch Fallpauschalen fließe viel Geld in Diagnosen und Operationen, das in Prävention und Patientengesprächen womöglich besser investiert wäre. Das Personal habe durch starre Sektorengrenzen, steile Hierarchien und hohen bürokratischen Aufwand oft nicht die Zeit für die „Arbeit am Menschen“, die es gerne hätte. Flachere Hierarchien, wie sie in einer Modellstation in Aschaffenburg gelebt würden, und eine Übertragung von mehr Aufgaben an Pflegepersonal, könnten sowohl das Personal entlasten und Pflegeberufe aufwerten. 

v.l.n.r.: Anja Baier (Landtags-Direktkandidatin), Johannes Wagner MdB, Bärbel Imhof (Bezirkswahl-Spitzenkandidatin und Direktkandidatin), Angelika Rütz-Holst (Bezirkswahl-Listenkandidatin), Armin Beck (Landtags-Listenkandidat)

Wagner hob den Vorteil der vorgesehenen Reform für eher ländlich geprägte Regionen hervor: „Das Krankenhaus in Lohr wird es zukünftig leichter haben, sich zu finanzieren!“ In Zukunft sollen 60 Prozent der Kosten als sogenannte Vorhaltekosten den Kliniken zur Verfügung stehen, also dafür, dass sie die nötige Infrastruktur bereithalten, um im Bedarfsfall bestimmte Leistungen erbringen zu können. Der Rest würde weiterhin nach tatsächlich erbrachter Leistung finanziert. 

In der Diskussion hob Bezirksrätin Bärbel Imhof die besondere Rolle der Psychiatrien hervor, die sich bisher anders finanzieren und nun bei der Reform unbedingt mitgedacht werden müssen. Imhof: „Ich sehe die Reform als Chance, um verkrustete Muster aufzubrechen und neue Versorgungsstrukturen aufzubauen.“ Angelika Rütz-Holst, die selbst niedergelassene Ärztin und Psychotherapeutin ist, wies auf die mangelnde Vernetzung von Fach- und Hausärzten, beziehungsweise stationärer und ambulanter Behandlung hin. Armin Beck, der moderierte, stellte die kritische Frage, warum das Pflegepersonal seine Macht nicht nutze – und in den Streik trete, wie es in anderen Branchen üblich sei, um Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die langjährige Intensivkrankenschwester Anja Baier stellte fest, dass die gewerkschaftliche Organisation im Pflegebereich nicht die beste sei – eine Pflegekammer mit möglichst beitragsfreier Pflichtmitgliedschaft könnte ein Ausweg sein. Baier: „Dem Pflegenotstand kann man nur begegnen, indem man die Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal so verbessert, dass unser gut ausgebildetes Personal auch in der Lage ist, den Beruf über lange Zeit, bis zum Renteneintritt auszuüben.“

Auch das Publikum beteiligte sich rege und stellte gleich eine Reihe von Forderungen, die Johannes Wagner mit in den Bundestag nehmen sollte: Altersgerechte Arbeitsbedingungen, Möglichkeiten für Altersteilzeit, Fokus auf Prävention, Beteiligung von Praktikern bei der Reform und nicht zuletzt, das Wohl der Menschen bei allen Kosten nicht aus den Augen zu verlieren.