Gesprächsabend in Kleinheubach (Lkr. Miltenberg): Psychische Gesundheit geht uns alle an

Psychische Gesundheit betrifft uns alle – egal ob jung oder alt, Dorf oder Großstadt. Dominique de Marné und unsere Landtagsabgeordneten Kerstin Celina und Paul Knoblach kamen in Kleinheubach mit knapp 30 Menschen zusammen, um mit über mentale Gesundheit zu sprechen.

Eingeladen hatten die bayerischen Landtagsabgeordneten Kerstin Celina und Paul Knoblach, die gemeinsam mit Autorin, Sozialunternehmerin und Mental Health Advocate Dominique de Marné für zwei Stunden über mentale Gesundheit sprachen.

Vom Tabuthema zur Alltagssache

Im Zentrum des Abends stand die wichtige Erkenntnis: Psychische Gesundheit bedeutet nicht nur der Umgang mit Erkrankungen – sie beginnt viel früher. Es geht auch um Prävention, Achtsamkeit im Alltag und den bewussten Umgang mit sich selbst.

Referentin Dominique de Marné sprach offen über ihre eigenen Erfahrungen:

„Es hat Jahre gebraucht, bis ich verstanden habe: Mit mir ist nichts falsch – das war eine Erkrankung.“ Sie kritisierte das fehlende Wissen und Verständnis in der Gesellschaft:

„Unsere Gesellschaft macht einen großen Unterschied zwischen körperlichen und psychischen Krankheiten.“ Mentale Gesundheit sei kein trauriges Schwarz-Weiß-Bild mit Klaviermusik, sondern ein Kontinuum, das jede und jeden betrifft. „Das Problem ist, dass mentale Gesundheit erst da losgeht, wo die Depression anfängt – dabei geht es um viel kleinere Dinge, die den Unterschied machen.“

Paul Knoblach, Mitglied im Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Prävention und selbst gelernter Fachkrankenpfleger für Psychiatrie, machte deutlich, wie sehr äußere Umstände die seelische Gesundheit beeinflussen: „Entwurzelte Menschen zählen zu den vulnerablen Gruppen.“ Er sprach von Kriegsflüchtlingen als „Strandgut der Kriege“, die in psychiatrischen Einrichtungen landen können, weil ihnen jede Form von Verwurzelung fehlt. Auch die Herausforderungen innerhalb des Gesundheitssystems wurden von Knoblach angesprochen.

Zwischen Zahnarzttermin und Gedankenkaries

De Marné wünscht sich ein neues Verständnis von Vorsorge:

„Ich freue mich auf den Tag, an dem ich nicht nur zwei Mal im Jahr zum Zahnarzt zur Vorsorge gehe, sondern auch prophylaktisch zum Psychologen – gegen den Gedankenkaries.“

Physiotherapeutin Annette Brand aus dem Publikum brachte es auf den Punkt: „Wir haben kein Gesundheitssystem, wir haben ein Krankheitssystem – weil es zu spät greift.“

Prävention sei dringend notwendig – nicht nur menschlich, sondern auch wirtschaftlich. Das betonte auch de Marné mit Blick auf Unternehmen: Wenn nicht in mentale Gesundheit investiert werde, koste das langfristig deutlich mehr. Schließlich erkrankt etwa jeder dritte Mensch im Laufe seines Lebens an einer psychischen Erkrankung.

Wie Schule stark machen kann

Ein weiterer Schwerpunkt war der Umgang mit psychischer Gesundheit in der Schule. Dass das Thema auch in die Klassenzimmer gehört, darüber waren sich alle einig. Aus dem Publikum kam vermehrt die Frage auf, ob es nicht Zeit für ein neues Schulfach wie „Glück“ oder „Leben“ sei, wie es in den skandinavischen Ländern doch Gang und Gäbe ist.“ Auch Dominique de Marné stimmte dem zu: „Ich schüttle immer wieder den Kopf, wenn ich mir überlege, dass meine Kinder ins gleiche Bildungssystem geschickt werden wie schon mein Großvater. Dabei sieht die Welt heute so viel anders aus als zu seinen Zeiten. Ich wünsche mir, dass Kids heute besser auf diese schnellere, intensivere, unsichere Welt vorbereitet werden. Ja, das könnte auch zum Beispiel durch ein Schulfach „Leben“ passieren – dort lernt man dann was über Mentale Gesundheit, körperliche Gesundheit, Steuern, Versicherungen & Co.“. Dazu zählt für die Mental Health Advocate auch das Thema Resilienz:  „Die Welt wird immer schneller und bunter – und wenn wir jungen Menschen nicht zeigen, wie sie sich innerlich verankern, dann lähmt sie das.“ Kerstin Celina, sozialpolitische Sprecherin der bayerischen Fraktion der Grünen, stimmte ihr bei: Sie nehme der der derzeitigen Bildungsministerin Stolz ab, dass auch sie das Thema auf dem Schirm habe und ernst nehme. Jedoch fehle es Stand heute an Lehrkräften, die entsprechend geschult seien. „Das ist ein langer Prozess, der aber immens wichtig ist.“ Sie hebt außerdem die Bedeutung von Selbstwirksamkeit bei jungen Menschen hervor:

„Es ist etwas anderes, ob ich weiß, dass ein Baum 120 Liter Wasser braucht, oder ob ich spüre, was es bedeutet, diese 120 Liter selbst in Gießkannen zu befüllen, den Baum zu bewässern und ein halbes Jahr später sehe, was daraus werden kann.“

Deshalb seien außerschulische Erfahrungen durch Schulausflüge von enormer Bedeutung – und sollten nicht an finanziellen Mitteln scheitern.

Psychologe Harald Müller vom Institut für Resilienz und Potenzialentfaltung (INREPO) stimmt sowohl de Marné als auch Celina zu und ergänzt dies mit seinen Erfahrungen aus der Praxis. Er unterstreicht erneut, wie wertvoll gezielte Dankbarkeitstrainings sind – wie bereits von de Marné betont – und bringt es auf den Punkt: „Dankbare Menschen sind glückliche Menschen.“

Nach dem offiziellen Teil blieben viele noch da. Nicht aus Höflichkeit – sondern weil es noch viel zu sagen gab. Es wurde weitergeredet, diskutiert, gelacht – auch so kann mentale Gesundheit aussehen.

Dabei wurde auch betont, wie wichtig es ist, solche Veranstaltungen nicht nur in Großstädten, sondern auch im ländlichen Raum stattfinden zu lassen.